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Fromm und schwul - (k)ein Problem ?!


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Die Lebensgeschichte von Günter Baum

Wenn ich heute zurückblicke auf die Zeit meiner intensiven Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass ich eine evangelikal - charismatische Frömmigkeit als meinen Weg praktizierten Christseins gefunden habe und dem Faktum, dass ich schwul bin, dann schwanke ich in meiner Beurteilung: Waren es verlorene Jahre, in denen ich überzeugt war, dass beides unvereinbar schien, oder war dies eine Zeit, in der ich wichtige Erfahrungen über mich und mein ”Anders - Sein” machen durfte? Ich komme immer mehr dazu, mit Bewertungen aufzuhören und zu der Überzeugung, dass ich zu mir und diesen verqueren Wegen als Teil meines Lebens stehen darf und kann.

Ich wuchs als zweiter von drei Söhnen in einer Geschäftsfamilie in einer süddeutschen Kleinstadt auf. Schon sehr bald musste ich erleben, dass die wirtschaftliche Absicherung durch unser Geschäft auf Kosten unserer Familie ging. Ich weiß noch, dass ich sehr oft als Kind weinte, weil meine Eltern einfach keine Zeit für mich hatten. Als Ersatz dafür lebte ich in meiner eigenen Traumwelt und wäre auch sehr zum Einzelgänger geworden, wenn ich nicht damals schon meine besten Freundinnen gehabt hätte. Die Jungs mit ihren Mut- und Kampfspielen waren mir fremd und reizten mich gar nicht.

So liefen die Jahre dahin und mein Leben war bestimmt von der Mithilfe im Geschäft meiner Eltern, dem gemeinsamen Aufwachsen mit meinen Brüdern und dem schulischen Alltag. Ein wichtiger Teil in meiner Eigenwelt, die ich wie ein Geheimnis hütete, war die Tatsache, dass darin Männer die Hauptrolle spielten. Egal, ob es ein Schulfreund, ein Lehrer, ein Besucher unseres Cafes oder irgendein Fremder war, den ich auf der Strasse sah: da kamen oft Gefühle und eine Anziehungskraft in mir hoch, die tiefer gingen, in eine mir damals noch unbekannte Dimension meines Lebens.

Mit 15 Jahren kam ich über die Schule in Kontakt mit einem Schülergebetskreis und einer christlichen Gemeinschaft, die im Rahmen der evangelischen Landeskirche aktiv war und einen missionarisch - evangelikalen Ansatz hatte. Ich war von ihnen sehr angetan, von der Art, wie sie von Gott und Jesus sprachen, und ich hatte nach einigen Überlegungen nur noch einen Wunsch: ich möchte auch in diesen Erfahrungshorizont eintreten, Jesus erleben, hautnah... So habe ich - wie es damals hieß- mein Leben Jesus übergeben und mein sündhaftes Ich vom Thron meines Lebens gestoßen. Mein einziges Ziel war nun, im Feuer der ersten Liebe, für Jesus zu leben und - wenn es sein muss - auch zu sterben. Das habe ich damals jedenfalls unter dem Eindruck von Märtyrerberichten zu Jesus gebetet.

Sehr schnell wuchs ich im Rahmen dieser Gemeinschaft, die mir sehr wichtig war und auch heute immer noch ist, in verantwortliche Positionen hinein. Die Menschen, die ich dort traf, lebten ein glaubwürdiges Christ sein, sie ließen sich die Nachfolge Jesu etwas kosten und waren mit ganzem Herzen dabei. Dort erlebte ich auch so etwas wie eine Ersatzfamilie - Menschen, die mir emotional sehr nahe waren und kamen. Doch damit waren auch Probleme für mich verbunden, zumindest in meiner Beziehung zu den Männern in der Gruppe. Natürlich erlebte ich in dieser Gemeinschaft, dass anscheinend Christen nur eine Berufung im Zusammenleben haben: entweder als Zölibatäre, Jesus geweiht, oder als Familie, die als solche ein wichtiges Ideal christlicher Lebensgestaltung verwirklichen.

Ohne dass es explizit geäußert wurde, war mir sehr klar, dass so jemand wie ich irgendwie nicht ins Konzept für die Gestaltung des Reiches Gottes hier auf Erden passt. Auch diejenigen, denen ich mich anvertraute, schienen mit diesem “Problem” überfordert zu sein. Die wenigen evangelikalen Bücher, die es zu diesem Thema gab, waren eindeutig und klar: christlich und homosexuell passen nicht zusammen, denn es muss auch nicht sein: Gott kann dich verändern, wenn du nur willst und ihn lässt! Eigentlich alles ganz einfach und logisch. Voller Hoffnung versuchte ich die Prinzipien der Erneuerung der Gedanken und der Sinne zu praktizieren. Ich brauchte doch nur motiviert sein und zu wollen. Wenn nun wieder ein homosexueller Gedanke in mir hochkam, dann wurde das nun als “Versuchung des Satans” interpretiert und ich braucht nur die “Waffen des Geistes” einsetzen und diese dunkle Macht im Namen Jesu bannen. Ich erfuhr das auch von Seelsorgern, die anscheinend besondere Vollmacht für diesen “Befreiungsdienst” hatten. Ich ließ stundenlang mit mir beten, Dämonen austreiben, habe x Sünden- und Schuldbekenntnisse abgelegt und war einige Tage später wieder am gleichen Ausgangspunkt.

Mit der Zeit zermürbte mich das immer mehr. Wenn ich schon auf diesem Gebiet versagte, dann wollte ich das durch mein Engagement für Jesus um so mehr kompensieren. So stellte ich mich in die Fußgängerzone einer nahen Großstadt und evangelisierte, mein Auto und ich selbst waren übersät mit Aufklebern und Anstecknadeln mit frommen Sprüchen, die Zeugnis über meinen Jesus ablegen sollten.

Mein frommer Aktivismus hatte aber nur ein Ziel: das zuzudecken, was nicht sein konnte und durfte... Das war die fromme Sonnenseite, es gab aber auch die inzwischen abgespaltene dunkle Schattenseite, die sich immer mehr in anonymen sexuellen Kontakten entlud. Der andere Part im Teufelskreislauf. Und beide schaukelten sich hoch, wurden immer extremer. Hinzu kam, dass mir einer der “geistbegabten” Seelsorger, nachdem ich ihm sagte, dass es in meiner Gemeinschaft eine Frau gäbe, mit der ich mich ganz gut verstünde, in einem “Wort der Erkenntnis” mitteilte, dass Gott mir diese Frau zur Heilung schenke und ich sie heiraten solle. Nun, wer kann der unmittelbaren Offenbarung Gottes widersprechen, zumal es eine sehr hübsche Frau war und ich sie wirklich von Herzen gern hatte - eben auf die Art und Weise, wie ich es konnte. So haben wir uns nach einiger Zeit verlobt. Vier Jahre lang haben wir gekämpft und ich kam immer mehr in ein Doppelleben und in ein Gespaltensein hinein. Nebenbei entstand auch Zorn auf Gott: Warum änderte er mich nicht, warum ließ er zu, dass meine Verlobte - und nicht nur ich - so viel ertragen musste, warum musste auch sie darunter leiden, so viele Verletzungen und Ablehnung ihrer Weiblichkeit durch mich erleben, obwohl ich ihr doch gar nicht weh tun will. Nicht nur unsere Verlobung zerbrach, sondern auch meine Beziehung zu Gott.

Ein Gottesbild entstand, das auf Gehorsam, Zucht, Selbstverleugnung, Härte baute, aber nicht auf eine liebende Beziehung, ein Sich Einlassen, ein Vertrauen können... dieser Gott wollte mich nur klein kriegen, nur zerstören, obwohl ich doch letztlich nur eines wollte: Ja zu mir sagen können, aus der Erfahrung heraus, dass Gott uneingeschränkt auch Ja zu mir sagt

Enttäuscht und in der Überzeugung, dass Gott nur ein Herz für Heteros hat und Schwule ein Gräuel für ihn sind, wandte ich dem Christ sein den Rücken zu und tauchte voll ab in die Schwulenszene. Endlich ist das Paradies offen, dachte ich. Es war eine bittere Erfahrung, dass die Männer, die sich dort bewegten, eben nicht mit offenen Armen da standen und mich willkommen geheißen haben. Im Gegenteil, ich erlebte wenig Kultur des Miteinanders, bei der uns die gemeinsamen Prozesse und Erfahrungen miteinander verbunden haben und zu einer verstehenden empathischen Gemeinschaft machten. Nein, zuerst sah ich die ganzen Warnungen und Vorurteile der Frommen gegenüber Schwulen bestätigt: beziehungsunfähig, haben nur Sex im Kopf, wollen nur nehmen, und nicht geben etc. Heute frage ich mich, wann hatten wir Schwulen überhaupt einmal eine gesellschaftliche Chance eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln: stets verteufelt, verfolgt, ignoriert? Dennoch gab es da einen Mann, der anders war. Wir begannen eine leidenschaftliche und erfüllende Beziehung miteinander. Ich entschied mich dann letztlich für ihn und gegen die Gemeinschaft, die mir unmissverständlich sagte, dass beides nicht möglich sei.

Die Zeit mit Rainer war sehr schön für mich. Endlich Liebe und Gefühle leben können, wie sehr hatte ich mich danach gesehnt. Doch auch das jahrelang internalisierte fromme Programm war in meinen Gedanken noch präsent. Kaum ein sexuelles Erleben, das neben dem Erfüllt sein nicht auch Schuldgefühle mit sich brachte und vor allem auch ein Erklärungsmuster für diese negativen Gefühle: das ist die Stimme des Heiligen Geistes, sie lässt sich nicht zum Schweigen bringen etc. Ich merkte, dass Spiritualität ein elementares Grundbedürfnis meines Lebens war und ich im Abbrechen aller meiner christlichen Kontakte ein Riesenloch in mir verspürte. So begann ich wieder in die alten Denkmuster hineinzukommen und hatte den Eindruck, dass Gott wollte, dass ich mich zwischen Rainer und Jesus entscheiden sollte: ich entschied mich für Jesus - unter Tränen, gegen meine innersten Gefühle ,aber Nachfolge muss ja etwas kosten, eben das Leben!

Als verlorenes Schaf kehrte ich wieder zurück. Trotzdem hatte sich etwas verändert , ich wollte aufs Ganze gehen, zu mir stehen und auf keinen Fall mehr Verstecken spielen. Ich stand offen zu mir und meinem Leben. Das ermutigte andere in der Gemeinschaft, ihre Masken fallen zu lassen und das Miteinander gewann an Tiefe und Authentizität. Natürlich war ich jetzt wieder offen für eine Veränderung meiner sexuellen Orientierung. Dies ging parallel zu meiner Öffnung für charismatische Erfahrungen, denn wenn alles selbstgesteuerte Umdenken nichts brachte, dann braucht es wirklich das übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes, um in die Tiefen meiner Persönlichkeit vorzudringen und Veränderung zu schenken.

Auf diesem Weg begegnete ich einer amerikanischen Organisation, die sich um die Heilung der sexuell Zerbrochenen, also auch um die Homosexuellen, bemühte. Ich war davon fasziniert und dachte, dies ist der einzige Weg, der hilft. Nach einigen Kontakten wurde mir die Möglichkeit gegeben, nach USA als Praktikant zu gehen, um dort ein Training mitzumachen. Während meiner Zeit bei dieser sogenannten “Ex-Gay- Organisation” lernte ich deren Seelsorgekonzept kennen und die Erklärungsmodelle für das Entstehen von Homosexualität schienen mir plausibel. Ich ging bewusst die Schritte der “inneren Heilung”, habe mein distanziertes Verhältnis zum Vater, meine emotionale Bindung an die Mutter aufgearbeitet, habe mich von den Sünden meiner Vorväter lösen lassen, habe mich von meinem homosexuellen Götzendienst an den “Göttern der sexuellen Perversion” loswaschen lassen, aber tief in mir drinnen schien sich nichts zu bewegen.

Das änderte sich auch nicht, als ich wieder zurück nach Deutschland kam und quasi die Zweigstelle für diese Organisation einrichtete. Es fanden die ersten Seminare statt und schließlich entstand eine Seelsorgeinitiative ”Wüstenstrom”, die sich berufen fühlte, Menschen für den Dienst an sexuell Zerbrochenen zu rüsten und Betroffenen zu helfen. Ich war viel unterwegs, habe Vorträge gehalten, Schwulen und Lesben aus evangelikal - charismatischen Kreisen vermittelt, dass wir es schaffen ,wenn wir nur wollen und Gottes Geist an uns wirken lassen.

Je mehr ich das predigte, umso weniger erlebte ich es an mir selbst. Meine innere Phantasie- und Erfahrungswelt war eine andere. Und ich erlaubte mir, Unerlaubtes zu denken: Könnte es nicht doch sein, dass Mann schwul und Christ sein kann? Ich ging in meinen Zweifeln zu einem Seelsorger und Psychotherapeuten, der innerhalb der katholischen charismatischen Bewegung in Deutschland eine große Rolle spielt. Er ermutigte mich, meine Homosexualität anzunehmen und verantwortlich vor Gott zu leben. Damit hatte ich nicht gerechnet. Bei ihm geschah die entscheidende Weichenstellung für meinen jetzigen Weg.

Mit wurde immer bewusster, dass ich in einem Dilemma war: auf der einen Seite war ich ein Hoffnungsträger für fromme Schwule, auf der anderen Seite wollte ich endlich ohne Wenn und Aber das Wagnis eingehen, mein Schwulsein und meine Spiritualität miteinander zu verbinden. Ich konnte dem inneren Druck nicht mehr standhalten, begab mich in die Szene und hatte eine kurze Liebesaffäre, die ich der Mutterorganisation in den USA beichtete. Daraufhin wurde ich sofort aller Ämter enthoben und stand vor dem Nichts. Ich spürte, dass ich nun ein anonymes Umfeld brauchte, um endlich den Weg zu mir zu finden. Ich entschloss mich, nach Berlin zu ziehen und dort zu arbeiten. Die Anonymität der Großstadt als Schutz zur Selbstfindung. Damals war ich 36 Jahre alt und hatte mein eigentliches Coming out. Ich bewegte mich in der Szene, machte neue Erfahrungen, oft auch Grenz-erfahrungen hinsichtlich meiner Vorstellungen von Sitte und Moral, wollte aber “die Stimme des Glaubens” trotzdem nicht zum Schweigen bringen. Stets in der Angst, als ein “antischwuler Scharfmacher” enttarnt zu werden, suchte ich nach Gruppen von schwulen Christinnen und Christen. Auf dieser Suche hörte ich von einem Projekt lesbisch - schwuler Spiritualität im Rahmen einer Kommunität in der Schweiz. Da ich immer an alternativen christlichen Lebensformen interessiert war sah ich darin die Chance, einen Ort zu finden, wo gelebte Spiritualität und Sexualität zusammenkommen.

Bald erlebte ich aber, dass trotz eines sehr offenen spirituellen Ansatzes und einer nach außen vertretenen “Gemeinschaft mit einer Berufung zur Liebe und gegenseitigen Achtung”, die Realität des Umgangs miteinander sehr hierarchisch und das Leitungsverständnis fundamentalistisch - totalitär waren. Das, was ich auf evangelikal - charismatischer Seite erlebte, schien sich hier zu wiederholen, nur in einem anderen Kleid. Dennoch bekam ich durch mein Sein in der Kommunität Kontakt zu anderen schwulen Christen und lesbischen Christinnen, vor allem in der Schwulen und Lesbischen Basis Kirche in Basel. Ich habe hier viel Heilung erfahren, nicht von Homosexualität, sondern zur Homosexualität. Ich erlebe in unserer Gottesdienstgemeinschaft, gerade beim Abendmahl, eine starke Gegenwart der segnenden Hand Gottes. Für mich verschwimmen dabei alle Grenzen und ich denke mir oft, dass es Gott doch gar nicht kümmert, welche sexuelle Orientierung hier vor ihm steht: er hat schlichtweg Lust am Menschen!

Langsam finde ich auch wieder Zugang und Freude an meiner ganz privaten Jesusbeziehung, den Liedern der Anbetung und des Lobpreises und an der Intimität mit Gott. Ich lasse mir heute von niemandem mehr das Recht auf den Glauben nehmen, weil ich dessen moralischen Ansichten nicht entspreche. Ich erlebe Gott in einer Tiefe in meinem Leben, als meinen tragenden Urgrund. Es bewegt mich sehr, dass ich immer mehr Menschen treffe, die aus einem ähnlichen Frömmigkeitshintergrund wie ich kommen, diesen aber auch als Schwule und Lesben leben wollen. Dazu habe ich das Projekt “Zwischenraum” gegründet, welches Menschen helfen will, das zueinander zu bringen, was für viele nicht zusammengehen darf: ein erfülltes Leben als be-geist-erte Christen und als Homosexuelle, die ihr Leben in Verantwortung vor Gott gestalten

Langsam, aber stetig nehmen wir diesen Zwischenraum ein und machen ihn zu unserem Lebensraum.

Originaltext von Günter Baum